Worin unterscheiden Sie sich noch zu früher?
Ein moderner Zoo ist heute ein Artenschutzzentrum, das sich für bedrohte Tiere einsetzt und sie tiergerecht hält.
Das heißt, Sie züchten Tiere?
Ja, wir holen uns keine Tiere aus der Natur. Mein großes Vorbild, der Zoodirektor von Frankfurt, Bernhard Grzimek (1901–1987), ist selber noch nach Afrika geflogen und hat Zebras gefangen. Wenn ich das heute so machen würde, wäre ich meinen Job los.
Das waren noch andere Zeiten …
Damals stand die Zucht nicht im Vorder-grund. Es hieß: Wir wollen möglichst viele exotische Tiere zeigen, um die Welt nach Deutschland zu bringen. Das war eine andere Zeit. Heute wollen wir vor allem bedrohten Tierarten eine Heimat bieten. Wir züchten sie und erhalten die Arten in Reservepopulation.
Trotzdem gibt es viel Kritik, weil die Tiere eingesperrt sind.
Es gibt nicht viel Kritik, es gibt Kritik. Wir haben eine Forsa- Umfrage aus dem Jahr 2022 und die besagt, dass 82 Prozent der Deutschen Zoos gut, 6 Prozent sie egal finden und 12 Prozent sie ablehnen. Nur 12 von 100 Prozent. Ist das viel?
Nicht wirklich.
Viele Menschen erkennen, dass sich der Zoo im Wandel befindet. Ich selber wäre ein großer Kritiker, wenn der Zoo noch so wäre wie vor 40 Jahren. Dann würde auch ich sagen, das hat sich überholt und ist nicht mehr zeitgemäß. Jetzt bin ich in der Position, den Zoo weiterzuentwickeln und ihn zeitgemäß, modern und vor allem den Tieren entsprechend zu bauen. Daran lasse ich mich messen.
Ohne die Zoos gäbe es manche Tiere gar nicht mehr?
Wir haben Tierarten hier, die in der Natur ausgestorben sind oder waren. Drei dieser Tierarten haben wir und andere Zoos wieder angesiedelt. Das größte europäische Rind, der Wisent, war ausgerottet. Es gab nur noch 20 Tiere in Zoos. Heute haben wir 6000 Tiere, die in Polen, Rumänien und anderswo ausgewildert wurden. Im Prinzip war der Wisent das Vorbild für fast alle Wiederansiedlungsprojekte.
Worauf sind Sie noch stolz?
Wir haben die Säbelantilope, Przewalskipferde, zwei Vogelarten, zwei Fischarten … Ich finde das großartig. Wir haben auch eine ausgerottete Schabenart gerettet. (Sein Pressesprecher springt auf und holt eine.) Die haben amerikanische Wissenschaftler entdeckt.
Schaben ziehen kein Publikum, aber Elefanten oder Giraffen.
Elefant, Giraffe und andere große Tiere sehe ich als Botschafter. 2016 haben wir eine Artenschutz-Stiftung gegründet und inzwischen mehr als 3,5 Millionen Euro Einnahmen für unsere Artenschutzprojekte weltweit und vor der Haustür. Wir wollen die Luchse in den Schwarzwald zurückbringen. Das Landwirtschaftsministerium hat mit der forstlichen Versuchsanstalt Freiburg das Projekt der Wiederansiedlung des Luchses gestartet. Wir sind zusammen mit dem WWF und dem Landesjagdverband ein wichtiger Partner.
Wie wollen Sie Luchse wieder zurückbringen?
Wir werden Luchse züchten, die wir hoffentlich auswildern können. Das ist unsere Vision, dass die Luchse in Baden-Württemberg aus dem Karlsruher Zoo stammen.
Ich nehme an, Sie haben eine Meinung zum Wolf.
Den kriegen wir gar nicht mehr los, ob wir wollen oder nicht. Er gehört zu unserer Natur dazu.
Würden Sie auch Bären auswildern?
Dafür sehe ich keine Möglichkeit. Da sind unsere Lebensräume nicht mehr geeignet. In den Alpen vielleicht ja, aber derzeit nicht im Schwarzwald.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Ich komme jeden Morgen um halb acht in mein Büro und die zwei Aras in der Voliere vor dem Fenster begrüßen mich. Oft gehe ich für eine Runde raus in den Zoo, wie es das Tagesgeschäft zulässt.
Idyllisch!
Nicht immer. Ein Meeting folgt dem anderen. Man hat einen Plan und meistens kommt es anders. Am Abend geht man raus und dann waren wieder ganz andere Dinge wichtig.
Sie wollten es so?
Ich könnte mir keinen Job vorstellen, bei dem ich acht Stunden sitze. Das geht nicht. Ich bin kein Schreibtischmensch.
Muss denn immer was laufen?
Ein Zoo, der stehenbleibt, der keine Baustellen hat, ist ganz schnell veraltet. Wir modernisieren und entwickeln uns dauernd weiter. Wir haben 120 Mitarbeiter, das ist eine ganze Menge. Wir haben 5000 Tiere in 26 verschiedenen Arten. Die Dinge sind immer am Laufen, immer im Fluss.